Am 15. September 2015 hat sich das Kartell1 gegen § 63 gegründet.
Alle, die sich in dem Kartell zusammengeschlossen haben, sind sich in Folgendem einig:
Wir sind entschlossen, uns aktiv für die Abschaffung des § 63 StGB
einzusetzen, weil er Unrecht ist. Am 24. November 1933 als Teil einer
„als ob“ Version von Recht geschaffen ist die Willkür einer Diagnose
von krankhafter Schuldunfähigkeit bei gleichzeitiger Gefährlichkeit
offenkundig geworden, angefangen von Diagnosen als Todesurteilen von
1939-1948 über das Rosenhan Experiment, die von Armin Nack, der Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof war, hochgelobten Gutachten
des Laiendarstellers Gert Postel, den gegensätzlichen
Begutachtungsergebnissen von Frank Schmökel und Anders Behring Breivik,
bis hin zu den aktuellen Skandalen um Gustl Mollath, Ilona Haslbauer,
Ulvi Kulac.
Zwei Merkmale des Vollzugs des § 63 in der forensischen Psychiatrie:
• Willkürliche und regelmäßig längere Freiheitsberaubung als bei einem vergleichbaren Delikt im Regelvollzug
• Erzwungene Körperverletzung durch psychiatrische Zwangsbehandlung.
Der UN-Sonderberichterstatter über Folter und grausame, unmenschliche
oder erniedrigende Behandlung, Juan Méndez, hat bereits seit 2013 einen
„absolut Ban“ jeder Zwangsbehandlung legitimierenden Gesetzgebung
gefordert. Staatlicher Zwang zu erduldender Körperverletzung per Gesetz
steht vor der Todesstrafe als schärfste Sanktion des Strafrechts.
Allen am Kartell Beteiligten ist bewusst, dass der § 63 bisher in der
deutschen Rechtsdogmatik den Menschenrechten zuwider für ein ehernes
Gesetz gehalten und vom BVerfG für verfassungskonform erachtet wird.
Wir orientieren uns an der Behindertenrechtskonvention (BRK) und dem
absoluten Folterverbot. Das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte hat
stattdessen klargestellt, dass der § 63 mit der BRK als
völkerrechtlichem Vertrag unvereinbar ist.2 Wir erinnern daran, dass Artikel 1 (2) GG die BRD auf die Einhaltung der BRK verpflichtet.
Das Folterverbot ist der tiefere Grund dafür, dass das BVerfG die Anwendung des § 81 StPO am 9.10.2001
für unzulässig erklärt hat. Alle am Kartell Beteiligten verfolgen
deswegen in einem ersten Schritt das Ziel, dass der ähnliche § 126 a
StPO vom BVerfG für unvereinbar mit dem GG erklärt wird.
Damit würde es jedem Beschuldigten möglich, eine Untersuchung auf
Schuldunfähigkeit erfolgreich zu verweigern. Die Sichtweise, dass einem
Beschuldigten in aller Regel dazu geraten werden sollte, diese
Untersuchung zu verweigern, wird unseres Erachtens in der
strafverteidigenden Anwaltschaft breite Unterstützung finden und sich
dann auch in der Bevölkerung herumsprechen. Damit würde der § 63 so
unterhöhlt, dass auch der Gesetzgeber nur noch die einzig richtige
Konsequenz ziehen kann:
Die Abschaffung des §
63 StGB
Um zu
dokumentieren, dass wir mit den Organisationen der Betroffenen
übereinstimmen, werden die Veröffentlichungen des Kartells von dem
Bundesverband und der Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener
gemeinsam herausgegeben. Sie werden von deren Forensik-Beauftragten
presserechtlich verantwortet.
Weitere Personen können dem Kartell beitreten, solange von keinem der Gründungsmitglieder ein Veto dagegen eingelegt wird.
[Beitrittswunsch bitte per E-Mail gleichzeitig an beide Herausgeber senden.]
Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V.
Herner Straße 406, 44807 Bochum
www.bpe-online.de
kontakt-info [ät] bpe-online.de
in Zusammenarbeit mit
Bundesarbeitsgemeinschaft
Psychiatrie-Erfahrener e.V.
Vorbergstr. 9A, 10823 Berlin
www.die-bpe.de
die-bpe [ät] gmx.de
Verantwortlich im Sinne des TDG
sind die Forensik-Beauftragten
Helmut Petri und der kommissarische Forensikbeauftragte Matthias Seibt
1 Kartell: professioneller Zusammenschluss sonst konkurrierend selbstständig Handelnder
2 Quelle: http://www2.ohchr.org/english/bodies/hrcouncil/docs/10session/A.HRC.10.48.pdf
47. Innerhalb des Strafrechts erfordert die Anerkennung der
Geschäftsfähigkeit von Menschen mit Behinderungen die Aufhebung der
Verteidigungsmöglichkeit, unter Berufung auf das Vorliegen einer
psychischen oder geistigen Behinderung die strafrechtliche
Zurechnungsfähigkeit zu verneinen.* Stattdessen sollten
behinderungsneutrale Grundsätze angewandt werden, die sich auf das
subjektive Element der Straftat richten und die Lage des einzelnen
Angeklagten berücksichtigen. Gemäß Artikel 13 des
Behindertenübereinkommens könnten sowohl in der Vorverfahrensphase als
auch während der Hauptverhandlung verfahrensbezogene Vorkehrungen
erforderlich sein; dafür müssen entsprechende Normen beschlossen
werden.
*Häufig als „Plädoyer auf Unzurechnungsfähigkeit“ bezeichnet.